Familien- und Systemaufstellungen

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Systemaufstellungen haben sich innerhalb der letzten 30 Jahre zu einem weit verbreiteten Werkzeug für Psychotherapie, Lebens- und Organisationsberatung entwickelt. Für mich ist es eine der am tiefsten gehenden und wirksamsten Möglichkeiten, Bewußtheit in das eigene Leben und Handeln zu bringen. Sackgassen, in denen wir unbewußt fest stecken, Muster, die wir wiederholen, Situationen, an den wir immer wieder scheitern, können in Ihrer Dynamik sichtbar gemacht und so auf einer tiefen Ebene verstanden werden. Durch diesen Schritt des »Annehmens, was ist« entsteht ein Raum, der zu Lösung und persönlichem Wachstum führt.

Auch wenn es nicht so scheint: Du hast es in der Hand

Wir kennen das alle: es gibt Momente in unserem Leben, da fühlt sich alles leicht an, alles fließt. Und es gibt Phasen, da scheint sich das Leben gegen uns verschworen zu haben, da scheint nichts mehr so zu laufen, wie wir es uns wünschen. Wie wir uns auch anstrengen, es will nicht gelingen. Wir fühlen uns ausgelaugt, entkräftet, resigniert, wütend. Krankheiten, äussere Umstände, beruflicher Misserfolg, die Familie, der Partner hindern uns daran, weiter und in die eigene Kraft zu kommen. So scheint es. Und es sind tatsächlich Dynamiken und Muster, die auf uns wirken, die wir nicht greifen können, von deren Existenz wir meistens nicht einmal wissen. Sie wirken unbewusst.

 

Wir stellen in wachen Momenten fest: alles wiederholt sich in meinem Leben, in der Partnerschaft, in meinem Beruf. Oder: immer wenn ich loslegen will, passiert irgendetwas, so dass ich ausgebremst werde. Oder: wenn das oder das nicht wäre, würde es mir viel besser gehen, usw. Die individuellen Erlebnisse im Leben, das ja bereits vor der Geburt im Mutterleib beginnt, Glaubenssätze und geheime Themen in der Herkunfstfamilie und familiäre und geselschaftliche Themen, die oft über Generationen hinweg wirken, prägen uns tief, sind in uns eingegraben und bewirken nun unbewußte Verhaltensmuster, die uns nun steuern, uns agieren und reagieren lassen. Wir haben gelernt: so geht das Leben, so geht Beziehung, etc. Ich behaupte sogar: Alle unsere Lebenssituationen kreieren wir uns selbst nach diesen unbewußten Mustern.

 

Um Dein Leben nun selbstverantwortlich in die Hand zu nehmen, um frei zu werden, um die eigene Kraft, ganz unabhängig von äusseren Umständen, voll aus zu schöpfen, ist es wichtig, diese eigenen Muster zu erkennen. Bewußt-Sein in die eigenen Handlungen zu bringen ist der erste und wichtigste Schritt, um Selbst- Bewußt- Sein zu erlangen.

 

Die Aufstellungsarbeit, wie ich sie verstehe, führt genau zu dieser Erkenntnis. Sie gewährt tiefen Einblick in unser Innerstes, läßt uns Dynamiken erkennen, die uns unbewußt führen und lässt uns jäh angehaltene und unterbrochene Bewegungen fort führen. Daher kann sie auch ein wichtiges Instrument sein, das hilft, traumatische Erlebnisse zu überwinden und zur Heilung bei zu tragen.

Ablauf und Wirkung einer Systemaufstellung

Die Aufstellungsarbeit ist eine Methode, mit deren Hilfe systemisch wirkenden Kräfte sichtbar gemacht und in ein neues Gleichgewicht gebracht werden können. Durch das besondere Setting ist es möglich, daß der Klient oder die Klientin von aussen auf das schauen kann, was ihn oder sie sonst unsichtbar umgibt, was sie sonst unbewußt führt. Stellvertreter:innen für real existierende Personen oder andere, auch abstrakte Aspekte, innere Anteile, etc. werden im Raum »aufgestellt«. Durch das Phänomen der repräsentierenden Wahrnehmung bei den Stellvertreter:innen werden Prozesse in Gang gesetzt, die persönliche und familiäre Traumata lösen können. Die Wirkung einer Systemaufstellung vollzieht sich, indem die Klient:in sich dem, was sich in der Aufstellung zeigt, innerlich öffnet. Aus der Zustimmung zur sichtbaren Situation entsteht die Los-Lösung von unbewussten Mustern, Regeln, Glaubenssätzen und der Gewinn von Freiheit und Verantwortung für das eigene Leben.

Sehen und Anerkennen, was ist

Der durch eine Aufstellung angestoßene Lösungs- und Heilungsprozess gleicht der tiefen Betrachtung eines Bildes: Wenn wir ein Bild ganz auf uns wirken lassen, bewegt sich etwas in uns. Im Falle einer Aufstellung ist es ein Bild unseres persönlichen Seelenlebens. Dieses kann geradezu fotorealistisch wirken – mit einer klaren Analyse und eindeutigen Handlungsanweisungen – genauso aber auch vollkommen abstrakt – ohne die Möglichkeit einer konkreten Interpretation. Wichtig ist nicht, ob man das, was sich zeigt, intelektuell versteht, sondern dass es etwas auf einer tieferen Ebebe bewegt. Das Wahrgenommene an zu erkennen, so wie es ist, ohne etwas weg zu nehmen oder etwas hinzu zu tun, führt zu einem inneren Frieden mit dem, was uns ausmacht. Aus diesem Frieden heraus kann etwas Neues entstehen, ein neuer Raum, eine neue Bewegung, eine neue Konstellation, eine neue Flexibilität und Freiheit.

Absichtslose Begleitung

Die Rolle der Aufstellungsleitung besteht darin, die Klient:in bei diesem Prozess zu begleiten. Anders als mit konventionellen Beratungsmethoden analysiert die Aufstellungsleitung nicht das Geschehen bzw. die Klient:in, sondern agiert aus einer Haltung des Nichtwissens und Nichtwollens heraus. Diese Absichtslosigkeit ermöglicht einen vertrauensvollen und sicheren Raum, in dem sich die seelische Wirklichkeit der Klient:in zeigen und entfalten kann. Dadurch, dass ich die Klient:in nirgendwo „hinhaben“ möchte, also ohne Ziel arbeite, entsteht großes Vertrauen, sich den Dingen, die uns innerlich lähmen, zu stellen. Und oftmals kommt es zu ungeahnten Antworten.

Phänomenologisch – prozessorientierter Ansatz

Dieses Vorgehen bezeichnet man als phänomenologisch. Doch da dieser Begriff in der Aufsteller:innen – Szene meines Erachtens nach oft zweckentfremdet wird, würde ich meine Arbeit eher als prozessorientiert bezeichnen. Die Aufstellung entsteht nicht aus dem Wissen der Berater:in, sondern entwickelt sich gänzlich aus den Kräften des Bildes eines Systems. Die Aufgabe der Leitung liegt darin, diese wahrzunehmen und den Prozess ihrer Visualisierung zu unterstützen. Dies beinhaltet, dass sie die in einer Aufstellung auftretenden Phänomene beschreibt und der Klient:in zur Verfügung stellt. Auch Ungewolltes und Schmerzhaftes darf sich zeigen und kann der Klient:in zugemutet werden. Die Praxis der Familienaufstellung hat gezeigt, dass Klient:innen dazu in der Lage sind, ihre Wirklichkeit, wie sie sich in einer Aufstellung zeigt, anzunehmen, auch wenn sie sich gerade nicht so offenbart, wie man sie gerne hätte. Im Fokus der Arbeit steht allerdings immer die Klient:in, niemals die Performance der Aufstellungsleitung.

Ganzheitlichkeit als Wesensmerkmal

Systemaufstellungen bieten eine Möglichkeit, Probleme ganzheitlich, das heißt vom Ganzen ausgehend, zu betrachten. Die Klient:in wird nicht als isoliertes Subjekt in Beziehung zu einer objektiven Umwelt betrachtet, sondern als Teil eines Ganzen: Mithilfe von Aufstellungen können wir ein Gefühl dafür entwickeln, wo wir im Fluss unseres Lebens stehen, wohin uns die Strömung führt und ob wir dieser Richtung zustimmen können oder dagegen ankämpfen. Auf dieser Grundlage bieten Systemaufstellungen nicht nur ein Werkzeug, um systemische Probleme in vielfältigen Kontexten zu lösen, sondern sie offenbaren auch grundsätzlich neue Perspektiven zur Meisterung unseres Lebenswegs.